Stellungnahme des Freiburger Friedensforums zur gegenwärtigen Auseinandersetzung Deutschland, der EU und der USA mit Russland

Die Regierungen der EU-Länder haben beschlossen, die politischen und wirtschaftlichen
Sanktionen gegen Russland zunächst bis 2016 fortzuführen. Die EU kommt damit den
Forderungen der US-Regierung nach, diese Sanktionspolitik zu verschärfen. Die deutsche
Regierung geht dabei voran und will damit eine gemeinsame Ostpolitik der EU
durchsetzen, was sie angesichts besonders der Griechenlandkrise für unbedingt
erforderlich hält. Die gegen Russland erhobenen Sanktionen werden damit begründet, mit
der Annexion der Krim, habe Russland gegen das Völkerrecht verstossen. Viele
Völkerrechtler verurteilen diese Diktion, weil die Mehrheit der Krim-Bevölkerung dem
Anschluß an Russland in einer Volksabstimmung zugestimmt hatte, handele es sich um
eine Sezession, die das Völkerrecht nicht verbietet. Allerdings ist die Initiative zu dieser
Sezession nicht in erster Linie von der Krimbevölkerung ausgegangen, sondern von
Russland. Was aber waren die Hintergründe? Das ist vor allem der Krieg in der Ukraine.
Dieser Krieg wurde letzen Endes ausgelöst durch ein Ultimatum der EU, nach dem die
Ukraine sich entscheiden mußte, ob sie der EU oder aber der von Russland initiierten
russisch-asiatischer Wirtschaftsgemeinschaft beitreten wolle.
Der ukrainische Präsident Janukovic hatte beabsichtigt, beiden Wirtschaftsgemeinschaften
beizutreten und somit eine Brückenfunktion zu übernehmen. Da die EU dies
kompromisslos ablehnte, verweigerte der Präsident die Unterschrift unter das
Assoziationsabkommen mit der EU. Das löste dann die ersten zunächst friedlich
verlaufenden Massendemonstrationen auf dem Maidanplatz in Kiew aus. Viele Ukrainer
hatten gehofft, mit der Westbindung die wirtschaftlichen Probleme im Land lösen zu
können. Der bewaffnete Einsatz von Sicherheitskräften gegen die Demonstranten führte
zu Toten und Verletzten. Die Proteste eskalierten danach mit der Erstürmung von
Behörden und Regierungsgebäuden. Der einst demokratisch gewählte Präsident wurde
amtsenthoben und außer Landes gejagt. In Kiew bildete sich eine neue westlich orientierte
Regierung mit einem Übergangspräsident. Der neue Ministerpräsident, so stellte sich bald
heraus, war wohl mit US-Unterstützung ins Amt gelangt. Führende US-Politiker reden
längst öffentlich von „unserem Mann in Kiew“.
Das alles geschah in Kiew im Westen der Ukraine. Die nicht westlich orientierte
Bevölkerung mit Schwerpunkt in der Ostukraine lehnte die neue Regierung in Kiew ab und
organisierte Widerstand, zunächst nur leicht bewaffnet. Überläufer aus der Armee
brachten schwere Waffen, wenig kampfbegeisterte Armeeangehörige ließen ihre Waffen
auf dem Kampffeld. Auch aus Russland kamen bald schwere Waffen. Blutige Kämpfe
zwischen Regierungsarmee und den so genannten Separatisten fanden in der Ostukraine
statt. Deutschland und Frankreich handelten zusammen mit Russland mehrfach
Waffenstillstände aus, zuletzt das Abkommen von Minsk mit Unterstützung Weißrusslands.
Aber bis heute flammen die Kampfhandlungen immer wieder auf. Die Spaltung des
Landes ist dem genannten EU-Ultimatum zu verdanken.
Einige Anmerkungen zum Verständnis der Geschichte sollen hier angeführt werden. Was
hat es mit der Krim auf sich? Die Halbinsel im Schwarzen Meer gehörte seit den
Eroberungen der Zarin Katharina II im 18. Jhrd. zu Russland über alle nachfolgenden
Kriege hinaus. Erst 1954 machte der Sowjetdiktator Chrustschew die Krim seinem
Geburtsland zum Geschenk. Das hatte damals keine außenpolitische Bedeutung. Die
alles beherrschende Zentralregierung regierte von Moskau aus. Erst nach der Auflösung
der Sowjetunion per Dekret des Präsidenten Jelzin 1991 gab es Probleme mit der zur
Ukraine gehörenden Krim. Der dortige Kriegsschiffhafen Sewastopol war Hauptstützunkt
der sowjetischen Schwarzmeerflotte, die nun russische Schwarzmeerflotte geworden war.
Russland setzte dafür einen Nutzungsvertrag mit der Ukraine durch, den die ukrainische
Regierung 2014 aufkündigen wollte.
Schon seit der Orangenen Revolution von 2010 gab es Pläne der damaligen
Ministerpräsidentin Timoschenko und vor allem der USA für einen NATO-Beitritt der
Ukraine. In dem Fall hätte die NATO ganz legal auf dem Flottenstützpunkt Sevastopol
Fuss fassen können. Da zog Präsident Putin mit der Volksabstimmung über eine
zukünftige Zugehörigkeit der Krim die Reissleine.
Und zur Ukraine: Die Ukraine besteht in ihrer heutigen Staatsgrenze seit 1991. Bis 1918
gehörte die Westukraine zur Donaumonarchie, der Rest zum russischen Zarenreich bis
zur Revolution 1917, die auch in der Ukraine zu heftigen Kämpfen führte. Mit dem Vertrag
von Versailles und Folgeverträgen entstand Polen als selbstständiger Staat. Dazu gehörte
dann die Westukraine und Teile Weißrusslands im Osten.
Nach dem Überfall der Naziwehrmacht auf Polen 1939 wurde das Land mit dem Hitler-
Stalinpakt wieder geteilt. Die Westukraine gehörte dann zur Sowjetunion. 1941 überfiel die
Naziwehrmacht die Sowjetunion. Die Ukraine gehörte zu den deutsch besetzten Gebieten.
Hunderttausende Männer und Frauen aus diesen Gebieten wurden zur Zwangsarbeit
deportiert. Es gab aber auch ukrainische, faschistische Milizen, die an der Seite der
Wehrmacht gegen die Sowjetarmee kämpften, aber auch Guerillakampfer gegen die
Deutschen. Nach Deutschlands Niederlage 1945 wurde Polen wieder selbstständiger
Staat. Ostpolen aber blieb Sowjetgebiet. Die neuen Grenzen Polens wurden nach Westen
verschoben.
Wieder in die Gegenwart: Die Rückkehr der Krim zu Russland hatte gravierende Folgen.
Die USA und die EU verhängten Wirtschaftssanktionen und gezielte Einreisesperren
gegen Russland wegen angeblichen Völkerrechtsbruchs. Moskau antwortete mit
Einfuhrsperren für Agrarprodukte und ebenfalls gezielten Einreisesperren. Aus
Enttäuschung über die verlorene Osterweiterung der NATO in der Schwarzmeerregion
führte die NATO Militäraktionen an Russlands Westgrenze durch mit Manövern der sog.
Schnellen Eingreiftruppen in den baltischen Ländern und Polen, zum großen Teil unter
deutscher Führung. Besonders in deutschen Medien gibt es zunehmend maßlose
Hetzkampagnen gegen den russischen Präsidenten Putin. In seiner ersten Amtszeit als
Präsident Russlands hatte Putin versucht, mit vielen Angeboten besonders in Deutschland
auf Vertrauen zu setzen vor allem mit Wirtschaftskooperationen, was nach den
Osterweiterungen der NATO immer schwieriger wurde. Unvergessen Putins damals
gehaltene Rede im deutschen Bundestag perfekt in deutscher Sprache. Vor allem die
deutsche Regierung hat sich dann immer mehr der Russlandpoltik der USA angepaßt,
gegen die Interessen des eigenen Landes.
Die deutsche Friedensbewegung fordert von den deutschen Medien mehr
Zurückhaltung in Sachen Diskriminierung russischer Politik. Von der deutschen
Führung erwartet sie die Überprüfung des eingeschlagenen politischen Weges
verbunden mit einer Erneuerung der Ostpolitik mit Öffnung für Kooperationen, um
in Europa Frieden und Sicherheit wieder zu erreichen.
Freiburg, September 2015
Für das Freiburger Friedensforum
Horst Luppe

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