Redebeitrag von Jürgen Grässlin am 30.1.2016

Grenzen öffnen für Menschen, Grenzen schließen für Waffen!

Keine Waffen und Bundeswehrsoldaten in den Nahen und Mittleren Osten – und anderswo
Für ein humanistisch und christlich geprägtes Südbaden!

Redebeitrag von Jürgen Grässlin zur Kundgebung und Demonstration am Samstag, den 30. Januar 2016 auf dem Rathausplatz Freiburg

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde in Freiburg,

am 1. September 2014 hat der Deutsche Bundestag mehrheitlich beschlossen, Kriegswaffen an die Peschmerga im Nordirak zu liefern – was seither in großem Umfang auch passiert. Am 4. Dezember 2015 hat der Deutsche Bundestag, wieder mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD, die aktive Beteiligung Deutschlands am Syrien-Krieg beschlossen. Deutsche Soldaten in AWACS-Überwachungsflugzeugen werden die entscheidenden Bilder und Daten liefern, damit die Luftwaffen der Nato-Partner Großbritannien und USA ihre todbringenden Bomben über Syrien abwerfen können. Das militärische Ziel lautet: Vernichtung des Islamischen Staates durch Waffengewalt.

Haben all die Militärs und ihre Politiker nichts gelernt aus dem militärischen Desaster der Kriege im Irak, in Afghanistan und in Libyen?

Bomben bringen den Tod, vielfach für die Zivilbevölkerung. Obwohl dreistellige Milliardenbeträge allein in diese drei Kriege investiert wurden, konnten die islamistischen Terroreinheiten im Irak, in Afghanistan und in Libyen nicht zerschlagen werden. Schlimmer noch: Der Hydra wurde ein Kopf abgeschlagen, doch neue erwuchsen. Der IS ist das Produkt einer völlig verfehlten Politik der internationalen Staatengemeinschaft. Diese hat nach dem völkerrechtswidrigen Krieg im Irak Sunniten weitgehend von der politischen Partizipation in der irakischen Regierung ausgeschlossen. Sunniten wurden in den Untergrund getrieben, sie gründeten den IS. Unterstützt wird der IS mit Waffen und Geld aus Saudi-Arabien, Katar und der Türkei – allesamt vermeintlich befreundete Staaten Deutschland. Hier hätte man seitens der Bundesregierung frühzeitig ansetzen müssen, wenn man das Erstarken des IS hätte frühzeitig verhindern wollen.

Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wer Soldaten schickt und damit zur Eskalation der Gewalt beiträgt, der wird Krieg und Terror ernten – Terror auch in Deutschland. Deshalb fordern wir heute in Freiburg:

  • Keine Beteiligung der Bundeswehr am sogenannten „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan, in Syrien, im Irak und auch in Mali!
  • Keine Zusammenarbeit mit den diktatorischen Regimen, die den IS und andere Terrororganisationen fördern!

Das ist die erste Botschaft unserer heutigen Friedenskundgebung!

Millionen von Menschen müssen momentan ihre Heimat im Nahen Osten verlassen. Sie werden vertrieben durch die Waffengewalt des IS und anderer Terroreinheiten. Und sie werden vertrieben durch die Waffengewalt der Nato-Staaten und ihrer Alliierten.

Weltweit sind rund 60 Menschen auf der Flucht. Sie müssen aus ihrer Heimat fliehen, maßgeblich im Nahen und Mittleren Osten, im Maghreb, in der Subsahara, am Horn von Afrika und in Lateinamerika.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Aber – gemessen an den Opferzahlen – leisten die reichen Staaten der Nordhemisphäre den tödlichsten Beitrag zur Gewalteskalation und zur Destabilisierung:  Sie liefern hemmungslos Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete. Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats – USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – sind die Global Player des Handels mit Kriegswaffen. Gemeinsam mit Deutschland, der Nummer vier der Weltwaffenexporteure, verantworten diese sechs Staaten nahezu drei Viertel aller Rüstungsexporte.

Was für eine Schande! Was für eine Fehlsteuerung der internationalen Politik!

Hemmungslos genehmigte und genehmigt auch die Regierung der Bundesrepublik Deutschland Waffentransfers an Staaten, in denen Kriege toben und Menschenrechte verletzt werden. Pars pro toto nenne ich einige wichtige Empfängerländer deutscher Kriegswaffen: In der Gegenwart sind das u.a. Ägypten, der Irak und die Türkei. In der Vergangenheit erhielten auch Afghanistan, der Iran, Somalia und Syrien Kriegswaffen aus Deutschland. Welches sind die Herkunftsländer von Flüchtlingen, die Deutschland erreichen: In der Gegenwart fliehen u.a. Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und Somalia zu uns. In der Vergangenheit waren dies vielfach Menschen aus Ägypten, Libyen, dem Iran und der Türkei, vor allem Kurdinnen und Kurden aus Türkisch-Kurdistan.

Die entscheidende Erkenntnis ist offenbar: Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten. Waffenhandel ist ein maßgeblicher Fluchtgrund. Die gelieferten Waffen werden eingesetzt gegen Andersgläubige, gegen die Demokratiebewegung, gegen Oppositionelle, gegen vermeintliche Feinde im eigenen Land und in Nachbarländern.

Leider ist auch die Bundesregierung massiv beteiligt am Geschäft mit dem Tod: Unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wurden Rüstungsexporte in den vergangenen beiden Jahren exorbitant gesteigert. Mehr als 60 Prozent aller Kriegswaffenlieferungen gehen an sogenannte „Drittländer“, die nicht der Nato oder der EU angehören. Vielfach landen die Waffen in Händen der Militärs in Scheindemokratien und Diktaturen. Oder sie landen in den Händen des IS, der sich die G3- und G36-Sturmgewehre der Bundeswehr auf den Waffenmärkten in Erbil und sonst wo beschaffen kann. Der IS schießt deutsch!

Das – gemessen an der Opferzahl – tödlichste Unternehmen Europas ist der deutsche Kleinwaffenproduzent Heckler & Koch auf der Ostseite des Schwarzwaldes. Allein der Einsatz von H&K-Waffen hat bis heute den Tod von mehr als zwei Millionen Menschen zur Folge, weitaus mehr Menschen wurden und werden zeitlebens verkrüppelt und traumatisiert.

Auch das ist eine Schande! Ausgehend von einem Unternehmen vor unserer Haustüre, im Regierungspräsidium Freiburg!

Wer Fluchtursachen – und nicht Flüchtlinge – bekämpfen will, der muss Waffenexporte stoppen, der muss Konflikte zivil deeskalieren. Wer Fluchtursachen bekämpfen will, der muss eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und eine gerechte Weltfriedensordnung schaffen. Wer verhindern will, dass Menschen ihre Heimat verlassen und fliehen müssen, der muss für ökologisch intakte Lebensbedingungen, für die Achtung der Bürger- und Menschenrechte, für gerechte und faire Arbeitsbedingungen, für Bildung und Gesundheit und für eine Gesellschaft der Toleranz und des Friedens sorgen.

Als einen der ersten Schritte in Richtung einer Weltfriedensordnung und der dramatischen Situation im Nahen und Mittleren Osten fordern wir:

  • Ein umfassendes Waffenembargo der Vereinten Nationen für den Export von atomaren, biologischen, chemischen und konventionellen Waffen in den Nahen und Mittleren Osten!

Folgen muss eine Ära der Abrüstung und Entmilitarisierung. Diese Friedenspolitik wäre ein dauerhafter Beitrag, die Kriege in Syrien, im Irak, im Jemen und anderswo zu stoppen, Gewaltstrukturen dauerhaft zu überwinden und den Menschen eine lebenswerte Heimat zurückzugeben.

Das ist die zweite Botschaft unserer heutigen Friedenskundgebung!

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, Freiburg und Südbaden stehen in diesen Tagen am Pranger einer kritischen Öffentlichkeit und der Medien in ganz Deutschland. Menschen ohne gesicherten Aufenthaltstitel wurden vor Freiburger Diskotheken abgewiesen. Flüchtlinge werden unter Generalverdacht gestellt. Und gestern haben Unbekannte mit einer Handgranate einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen verübt. Was für ein Glück, dass der Sprengstoff nicht detonierte!

Das ist nicht unser Südbaden! Das ist nicht meine Heimat!

Lasst mich deshalb enden mit der dritten Botschaft und einem Bekenntnis, die von unserer heutigen Friedenskundgebung ausgeht:

  • Unsere Heimat ist Südbaden – eine Region mit weltoffenen, gastfreundlichen und friedliebenden Menschen.

Und damit uns unsere Heimat nicht von den Rechtsradikalen der Republikaner, der NPD und in der AFD genommen wird, fordere ich euch auf:

  • Setzt euch mit Mut und Zivilcourage ein gegen Grenzzäune aller Art,

gegen Obergrenzen zur Flüchtlingsabwehr

– setzt euch ein für eine Willkommenskultur für Menschen in Not!

  • Refugees are welcome in einem Freiburg, in einem Südbaden, in einem Deutschland, in dem humanistische und christliche Werte gelebt werden, in dem Ethik und Moral unser Handeln bestimmen!

Als Sprecher der bundesweiten Kampagne ‚Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!’ fordere ich deshalb heute in Freiburg:

  • Grenzen öffnen für Menschen – Grenzen schließen für Waffen!

Vielen Dank!

You're at the bottom!