Antikriegstag 2020

AUFRUF DES DEUTSCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES ZUM ANTIKRIEGSTAG: 1. SEPTEMBER
2020

NIE WIEDER KRIEG! IN DIE ZUKUNFT INVESTIEREN STATT AUFRÜSTEN!

Für uns Gewerkschaften ist der Antikriegstag 2020 ein besonderer Tag
der Mahnung und des Erinnerns. Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die
Befreiung Europas und der Welt vom Faschismus jähren sich zum 75. Mal.
Mit seinem Überfall auf Polen riss Nazi-Deutschland 1939 die Welt in
den Abgrund eines bestialischen Krieges, der unermessliches Leid über
die Menschen brachte und 60 Millionen Tote forderte. 75 Jahre nach
Kriegsende liegt es an uns, die Erinnerung an diese zahllosen Toten
wachzuhalten und der Millionen von Holocaust-Opfern zu gedenken, die von
den Nazis ermordet wurden. Und wir müssen die Erinnerung daran
wachhalten, dass Deutschland angesichts der Menschheitsverbrechen der
Nazis besondere Verantwortung für den Frieden trägt. Nie wieder Krieg!
Nie wieder Faschismus! So lautet unumstößlich die Lehre, die wir
Gewerkschaften aus der Geschichte gezogen haben – und für die wir uns
heute wieder mit all unserer Kraft stark machen müssen.

Wir erleben derzeit den internationalen Abgesang auf eine Politik der
Abrüstung, Entspannung und Zusammenarbeit und auf eine neue
multilaterale Weltordnung, die wir nach dem Fall des Eisernen Vorhangs
erhofft hatten. Stattdessen leben wir in einer Welt, die immer stärker
aus den Fugen gerät. Nationalismus und Militarismus greifen wieder um
sich und setzen eine neue Spirale der Aufrüstung in Gang. 75 Jahre nach
dem Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki im August 1945
erreicht der nukleare Rüstungswettlauf ungeahnte Ausmaße. Alle neun
Atommächte stecken Unsummen in die Modernisierung ihrer Nukleararsenale
und Anfang des nächsten Jahres könnte mit dem russisch-amerikanischen
„New Start“-Vertrag das letzte verbliebene Rüstungskontrollregime
für Atomwaffen auslaufen. Auch deshalb ist es nicht hinnehmbar, dass
die deutsche Bundesregierung sich weiterhin weigert, den UN-Vertrag
über das Verbot von Atomwaffen zu unterzeichnen.

Welche Dimensionen das Wettrüsten inzwischen erreicht hat, zeigen die
aktuellen Zahlen. Die globalen Rüstungsausgaben belaufen sich
inzwischen auf 2 Billionen US-Dollar. Die deutsche Bundesregierung
spielt dabei eine unrühmliche Vorreiterrolle. Deutschland ist nicht nur
viertgrößter Rüstungsexporteur weltweit, sondern ist bei den Ländern
mit den meisten Rüstungsausgaben auf den siebten Platz vorgerückt.
Wenn die Bundesregierung die NATO-Zielvorgabe erfüllen würde, zwei
Prozent des deutschen BIP für Verteidigung auszugeben, so könnte dies
eine weitere Erhöhung des Wehretats um mehr als 20 Milliarden Euro
bedeuten.

Die Corona-Krise führt drastisch vor Augen, wie verantwortungslos diese
Geldverschwendung ist. Besonders deutlich zeigt sich dies im Globalen
Süden. So sind etwa in vielen Ländern Lateinamerikas große
Bevölkerungsteile schutzlos dem Virus ausgesetzt, weil es an einer
flächendeckenden Gesundheitsversorgung fehlt und die dortige
Zwei-Klassen-Medizin Angehörige der Ober- und Mittelschicht
privilegiert. Gleichzeitig sind die Rüstungsausgaben in der Region in
jüngster Zeit stark angestiegen – Geld, das für den dringend
nötigen Ausbau der Gesundheits- und Sozialsysteme fehlt. Aber auch im
Falle Deutschlands legt die Corona-Krise schonungslos offen, wie
gravierend die Fehlverteilung öffentlicher Mittel ist. Im
Bundeshaushalt 2020 waren ursprünglich 12 Prozent der Ausgaben für den
Verteidigungsetat vorgesehen, während nur ein Drittel davon in das
Gesundheitssystem fließen sollte.

Es ist höchste Zeit, das Ruder herumzureißen! Die Pandemie, der
Klimawandel, die Digitalisierung – all diese gewaltigen
Herausforderungen bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und
vergrößern die soziale Ungleichheit. Wir müssen gegensteuern! Dafür
sind neben einem starken und solide finanzierten Sozialstaat immense
öffentliche Investitionen nötig – in Gesundheit und Pflege, in unser
Bildungssystem, in eine sozial-ökologische Gestaltung der Energie- und
Verkehrswende, in die kommunale und digitale Infrastruktur und in den
sozialen Wohnungsbau. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich
endgültig von der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO zu lösen und die für
Rüstungsausgaben vorgesehenen Mittel in ein sozial gerechtes
Deutschland und Europa mit nachhaltigen Zukunftsper-spektiven zu
investieren.

Um dieser Forderung politischen Nachdruck zu verleihen, ruft der DGB als
Partner der Friedensinitiative „Abrüsten statt Aufrüsten“
(https://abruesten.jetzt) öffentlich dazu auf, sich am diesjährigen
Antikriegstag mit zahlreichen Aktionen zu beteiligen.

Willi van Ooyen

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