Ukrainekonflikt: Stellungnahme des Friedensforums

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Ukraine-Konflikt im Dezember 2014
Einen Tag nach dem G20-Gipfel in Australien und einem ausführlichen Gespräch unter
vier Augen mit dem russischen Präsidenten Putin hat Kanzlerin Angela Merkel diesen in
einer Rede beschuldigt, mit seiner Ukrainepolitik einen Flächenbrand entfachen zu wollen.
Eine solche Politik habe vor 100 Jahren in den 1. Weltkrieg geführt.
Die gegenwärtige Ukrainekrise begann vor einem Jahr am 21. Nov. 2013 mit einer Großdemo
auf dem Kiewer Maidanplatz, in dessen Folge acht Wochen später der demokratisch
gewählte ukrainische Präsident Janukowitsch gestürzt und vertrieben wurde. Er hatte sich
geweigert, einen Assoziierungsvertrag mit der EU zu unterzeichnen, auf den ein Teil der
Bevölkerung des Landes wirtschaftliche Hoffnungen gesetzt hatte. EU-Komissionspräsident
Barroso hatte zuvor die Ukraine ultimativ aufgefordert, sich für eine Kooperation
mit der EU zu entscheiden. Sturz und Vertreibung des gewählten Präsidenten
Janukowitsch spaltete das Land. Der Einsatz der ukrainischen Armee gegen den Ostteil
des Landes führte zum Bürgerkrieg.
Schon seit Jahren hat das westliche Militärbündnis NATO ganz offen geplant, nach der
Integration von Balkanländern und den ehemaligen Ostblockstaaten Tschechien,
Slowakei, Ungarn, Polen und dem Baltikum auch die Ukraine, Georgien und Moldavien in
das Bündnis aufzunehmen. Dies hatte schon zu russischen Militäraktionen gegen
Georgien und Moldawien geführt. In Kiew hatte sich die zeitweilige Regierungschefin
Timoschenko für eine NATO-Mitgliedschaft eingesetzt.
Mit einem Willkürakt hatte der sowjetische Staatschef Chruschtschow 1956 die Halbinsel
Krim der Sowjetrepublik Ukraine angeschlossen. Das war damals aussenpolitisch ohne
Bedeutung. Die Sowjetrepubliken Russland und Ukraine waren Bestandteile der Union der
Sowjetrepubliken UdSSR. Nach dem Zerfall der Sowjetunion blieb die Zugehörigkeit der
Krim zur Ukraine bestehen. Der Flottenstützpunkt Sewastopol wurde durch Vertrag
Russland auf Zeit überlassen. Die Krim gehörte seit der Regierung der Zarin Katharina II
im 18. Jh. bis zu Chruschtschows Aktion zu Russland. Im Falle der NATO-Integration der
Ukraine wäre der Stützpunkt Sewastopol in NATO-Nutzung übergegangen, was Russland
als Bedrohung betrachtet hatte. So gesehen wird die Annexion der Krim durch Russland
verständlich, obwohl sie formal völkerrechtswidrig war. Allerdings wurde die Annexion
durch eine umstrittene Volksabstimmung auf der Krim bestätigt. Der Westen empörte sich,
setzte die Annexion doch eine deutliche Schranke für die NATO-Osterweiterung. USA und
EU verhängten Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland. Russland antwortete
mit Einfuhrstops für westliche Güter.
Die gegenseitigen Blockaden schaden sowohl der russischen wie der EU-Wirtschaft, nicht
aber den USA, der treibenden Kraft der Blockadepolitik. Die wirtschaftlichen
Verflechtungen der EU und besonders Deutschlands mit Russland sind wesentlich enger
als zwischen Russland und den USA. Hinzu kommt die Abhängigkeit von russischen
Erdöl- und Erdgaslieferungen. Für den Exportweltmeister Deutschland war Russland ein
wichtiger Markt, nicht nur für den Techniksektor, sogar für Nahrungsmittel. Deutsche
Obstbauern fordern nun Entschädigungen von der Regierung für hohe Einkommensverluste.
Vor allem aber der politische Schaden, den so eine Rede der Frau Merkel angerichtet hat,
ist unabsehbar. Schon gab es scharfe verbale Reaktionen aus Moskau.
Zumindest öffnet eine solche Konfrontationspolitik das Tor zu einem neuen kalten Krieg,
vor dem jüngst auch Gorbatschow warnte, dem das Ende des vergangenen kalten Krieges
mit der Folge der deutschen Wiedervereinigung wesentlich mit zu verdanken ist. Wer sich
erinnert an die Entspannungspolitik von Willy Brandt und Egon Bahr gegenüber dem
damaligen Ostblock einschließlich Russlands Ende der sechziger, Anfang der siebziger
Jahre, die einen heißen Krieg verhindern half und eine friedliche Entwicklung einleitete,
muß sich nicht nur wundern über die deutsche Politik heute. In einem in der ARD kürzlich
geführten Interview mit dem russischen Präsidenten Putin wurde deutlich, wie viel offener
Russland heute ist als damals für eine friedliche Zusammenarbeit insbesondere mit
Deutschland. Eine solche Zusammenarbeit aber will Washington, sicher aus langfristig
strategischen Gründen, verhindern. Für die Bundesregierung aber steht offensichtlich die
Bündnistreue gegenüber den USA weit über den Friedens- und Wohlstandsinteressen der
Menschen in Deutschland und Europa. Machtstrategische Bündnistreue aber hatte einst in
den 1. Weltkrieg geführt.
Zur Rolle der Medien: In den sog. Leitmedien, wie dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen
und den großen Tages- und Wochenzeitungen, wie FAZ, Die Welt, Süddeutsche Zeitung
oder die Zeit, werden die russische Politik und Putin fast einhellig verurteilt. Die Politik
der westlichen Regierungen, wie auch die der derzeitigen Regierung der Ukraine finden
wenig kritische Kommentare. Wie ist das möglich in unserer Demokratie ohne Presse- und
Medienzensur und all der Meinungsfreiheit?
Im Halem-Verlag Köln erschien 2013 eine kritische Medienanalyse des Instituts für
praktischen Journalismus und Kommunikationsforschung unter dem Titel „Meinungsmacht“
(Autor Uwe Krüger), die den Einfluß von politischen und Wirtschafts- und
Finanzeliten auf Top-Journalisten und Leitmedien untersucht. Sie gibt Einblick in die
enge Kooperation dieser Gremien bei der Herstellung sog. öffentlicher Meinung. Diese
Kooperation ist weit effektiver und weniger durchschaubar als jede staatliche Zensur. Im
Falle der Ukraine Krise bleibt dabei der internationale Frieden auf der Strecke.
Die Friedensbewegung fordert ein Ende der Konfrontationspolitik mit

– Aufhebung aller gegenseitigen Wirtschafts- und Finanzblockaden zwischen der EU und
den USA mit Russland,
– Einstellung aller Militäraufmärsche und -manöver in Grenzbereichen
– vertraglich abgesicherter politischer und militärischer Neutralität der Ukraine,
– Anerkennung der z.Zt. bestehenden staatlichen Grenzen,
– sofortigen Friedensverhandlungen der verfeindeten ukrainischen Volksgruppen
unter internationaler Kontrolle,
– internationaler Unterstützung beim Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Infraund
Gebäudestrukturen,
– internationaler Unterstützung für den Wiederaufbau der zusammengebrochenen
Wirtschaft,
– Bereitstellung von Hilfsgütern (Nahrungsmittel und Medikamente),
– und vor allem: Verzicht der Großmächte USA, EU und Russland auf Erweiterung
ihrer politischen Einflusszonen.

Horst Luppe

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